Nach dem Verlassen der Geldwechselstube fahren wir mit dem Taxi zu Kofi nach Hause. Er wohnt mit seinen Eltern und seiner Schwester in einem Ghetto in Madina, einem Stadtteil Accras. Das Areal ist unübersichtlich, die Straßen verwinkelt und die Häuser schief und krumm. Das Elternhaus ist auf gestampftem Lehmboden errichtet und besteht aus Holz, Lehm, Ziegeln und Wellblech. Als wir eintreffen, sehe ich gleich neben der Haustür einen Bretterverschlag. Die Innenwände des kleinen Raums sind bis unter die Decke mit Regalen bestückt. Kofis Mutter sitzt dort und schaut uns durch eine Fensteröffnung entgegen. Hinter ihr, in den Regalen, stapeln sich Lebensmittel, abgepackt in Dosen oder in Tüten. Vor ihr auf dem Fenster-Tresen liegen Brot und Süßigkeiten, wie früher bei uns im Tante-Emma-Laden im Dorf. Dort standen auch die Lollis und Bonbons auf dem Verkaufstresen und direkt vor der Nase von uns Kindern.
Kofis Mutter kommt aus dem Verschlag und begrüßt mich. Ich versuche, sie zu umarmen, weil ich mich wirklich sehr freue, sie kennenzulernen, merke aber gleich, dass sie sich zurückzieht. Körperliche Nähe scheint verpönt zu sein. Ich habe es gestern am Flughafen bereits bemerkt, als Kofi mich begrüßte. Er hatte die Umarmung nur angedeutet.
Wir treten durch die Tür in das Haus, das in Deutschland eher als Schuppen bezeichnet werden würde. Kaum bin ich drin, trifft mich fast der Schlag. Ich habe vieles erwartet, aber nicht das: Ein langer Raum erstreckt sich vor mir, mit 8 Computern an den Längsseiten. Ich stehe direkt in einem Internet-Café. Alle Plätze sind besetzt. Wir gehen hindurch, es ist schummerig, ich versuche, etwas auf den Bildschirmen zu erkennen, aber nur einer der jungen Leute scheint zu chatten, alle anderen sehen sich irgendwelche Web-Seiten an. Wir biegen links ab in einen kleinen Raum der in zwei weitere Räume mündet, Kofis Zimmer und daneben das elterliche Schlafzimmer. Kofi bugsiert mich in sein Zimmer.
Ich setze mich auf das Bett. Die Pappwände sind blau gestrichen, in einer Ecke stapeln sich einige Laptops. Es gibt einen Fernseher, DVD-Recorder und WLAN.
Kofi grinst und fragt: „Na, was denkst Du?“
Meine Antwort: „Nix, Was soll ich denken?“
Ich grinse zurück, aber er kennt mich ziemlich gut und er weiß, dass es jetzt in meinem Gehirn rattert. Er hat mir verschwiegen, dass er ein Internet-Café betreibt, weil er vermutete, dass ich ihm dann nicht mehr trauen würde. Wir hatten uns ursprünglich über eine amerikanische Romance-Scam-Selbsthilfegruppe kennengelernt, deren Administratorin auch ausgewählte Mitglieder aus Westafrika zuließ, um zu zeigen, dass man nicht alle über einen Kamm scheren kann.
Kofi erklärt es mir mit den Internet-Café so: An der Universität hat er Informatik studiert, er kennt sich mit Datenbanken, SQL, Servern, Netzwerken und Hardware gut aus. Seine Eltern haben sehr viel in seine Ausbildung investiert, trotzdem ist es ohne Beziehungen praktisch unmöglich, einen Job in der Branche zu bekommen. Da er aber seine Fähigkeiten und Kenntnisse nutzen möchte und der Bedarf da ist, war es für ihn das Naheliegendste, ein Internet-Café zu eröffnen.