Betrüger im Netz mit Massen-Mails und der Gier von Menschen. Das Ganze kann nicht nur teuer werden, sondern auch tödlich enden. Von Til Biermann
Auszug aus dem Artikel auf welt.de:
Fast jeder hat wohl schon mal solche skurrilen E-Mails bekommen: In fehlerhaftem Englisch schreiben nigerianische Prinzen oder kambodschanische Geschäftsleute von einer großen Summe Geld, die sie ins Ausland transferieren müssten. Sie wären zufällig auf den Mail-Empfänger gestoßen. Der müsse ihnen dabei helfen, das Geld zu transferieren, dann bekäme er – die „Belohnungen“ schwanken – vielleicht 20 bis 50 Prozent der Millionensumme.
Die Allermeisten schicken solche Mails direkt in den Müll. Die Betrüger hoffen jedoch zu Recht darauf, dass ein Bruchteil der Empfänger blind vor Gier wird und kleine „Gebühren“ von einigen Hundert Euro überweist für Stempel, Bestechungen und ähnliche eingebaute Hindernisse. Das Betrugsopfer bekommt, sollte es darauf eingehen, natürlich nie wieder etwas von seinem Geld oder dem versprochenen Gewinn zu sehen.
Das hat Tradition: Schon im späten 19. Jahrhundert bekamen britische Geschäftsleute manchmal ähnliche Briefe, in denen von einer zu einer reichen Familie gehörenden Person die Rede war, die in einem spanischen Gefängnis festsitze. Für eine kleine Bestechungssumme, die der Empfänger des Briefs zu leisten hätte, könne man jene Person freibekommen und riesige Belohnungen von der reichen Familie erwarten. Diese als „Spanish prisoner“-Brief in die Geschichte eingegangene Betrugsart erlebt seit den 80er-Jahren ein Revival.
Mehr Kriminelle übernahmen die Masche
Diese und ähnliche weitergesponnene Formen des „Spanish prisoner“-Briefs entstanden zunächst während der Zeit der hyperkorrupten „Zweiten Republik“ des nigerianischen Präsidenten Shehu Shagari in den 80er-Jahren. Mit der Zeit übernahmen Kriminelle auf der ganzen Welt die recht plumpen und in der Masse doch manchmal erfolgreichen Betrugsversuche. Und wo die Betrüger früher noch aufwendig Briefe und Faxe schicken mussten, können sie nun per E-Mail günstiger agieren und viel mehr potenzielle Opfer erreichen.
Da die Wiederbelebung des „Spanish prisoner“-Briefs von Nigeria ausging und Bewohner des westafrikanischen Landes immer noch zu den Hauptakteuren dieser Betrugsart gehören, nennt man sie heute auch 419-Betrug – nach dem Paragrafen 419 des nigerianischen Strafgesetzbuchs, der sich mit dieser Art von Betrug befasst.
Gesamtschaden ist schwer abschätzbar
Meist bleibt der Schaden für die Opfer überschaubar. Ein paar Hundert Euro, manchmal mehr, wenn der Betrogene sich zu weiteren Überweisungen überreden lässt. Dabei ist der Gesamtschaden durch die verschiedenen Spielarten dieser Betrügereien schwer schätzbar. Eine Untersuchung der amerikanischen Regierung kam für das Jahr 2006 auf etwa 200 Millionen Dollar in den USA – da viele Geschädigte aber gar keine Anzeige erstatten, wird es eine hohe Dunkelziffer geben.
Und in Einzelfällen endet der Betrug fatal. Wenn die Betrüger ihr Opfer ausreichend weichgeklopft haben, überreden sie es manchmal erfolgreich, eine Reise in das Ursprungsland des Betrugs zu unternehmen, etwa um persönlich „Regierungsangehörige“ zu treffen, welche die endgültige Überweisung der versprochenen Riesensumme möglich machen würden. Die Opfer werden dann mitunter festgehalten, um Lösegeld zu erpressen.
So wurde etwa der norwegische Millionär Kjetil Moe im Jahr 2000 nach Südafrika gelockt und ermordet. Allein zwischen 1992 und 1995 sollen 15 Amerikaner laut US-Außenministerium in Nigeria auf diese Art ums Leben gekommen sein. Und auch komplett Unbeteiligte können dem Internetbetrug zum Opfer fallen. Im Februar 2003 erschoss ein 72-jähriger Tscheche den nigerianischen Konsul von Prag. Der Konsul hatte dem Tschechen erklärt, dass er ihm nicht dabei helfen könne, die 600.000 Dollar zurückzubekommen, die der Mann an 419-Betrüger aus Nigeria verloren hatte.
Am Besten jede Kommunikation abbrechen
Und tatsächlich: Wer merkt, dass er betrogen wurde, hat fast keine Chance, sein Geld wiederzubekommen. Eine ausführliche Broschüre des US-Außenministeriums, die erstellt wurde, nachdem das US-Konsulat in Lagos jährlich über 3000 Anfragen von Betrugsopfern erhalten hatte, rät: „Es ist das Beste, jedwede Kommunikation mit den Betrügern abzubrechen, anstatt zu versuchen, eine gütliche Lösung zu finden.“
Gesamter Original-Artikel unter Betrugsmails : Wie die Abzocke mit den Massen-Mails funktioniert – Nachrichten Politik – Ausland – DIE WELT.